Ziele von EXDIMUM

Kernziel der im Projekt EXDIMUM geplanten Arbeiten ist es, das Extremwassermanagement im Spektrum komplexer Herausforderungen (wenig vs. viel Wasser, überregionaler vs. lokaler Raum, lange vs. kurze Zeitspannen, Berghänge vs. Flachland, unterschiedliche Landnutzung mit Wald, Bergbau, Landwirtschaft und Stadt) durch das ganzheitliche Zusammenspiel von Datenerhebung und Modellierung auf multiplen Skalen und abgeleiteten Maßnahmen zu betrachten. Hierzu gehören insbesondere die Nutzung von zeitlich und räumlich hochaufgelösten Satellitenaufnahmen, die Einbeziehung von digitalen Geländemodellen und die gezielte zuverlässige Erhebung von terrestrischen Sensordaten. Das Zusammenspiel dieser multimodalen Datenquellen für die Zustandserfassung und Analyse von Szenarien soll als Basis für kurz- und langfristige Prognosen dienen und erlauben, aussichtsreiche Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Wetterextremen abzuleiten.

Zugrunde liegt diesem Ansatz die Beobachtung, dass die globalen Klimaveränderungen nicht nur mit einer Veränderung der Durchschnittswerte der Niederschlagsmengen einhergeht, sondern auch mit einer Verstärkung der Extreme besonderer Trockenheit und lokaler Starkregenereignisse. Diese Entwicklung führt zu Herausforderungen, die sich zeitgleich auf verschiedenen Skalen abspielen.

  • Wasser (Dürre und Hochwasser): Anhaltende Trockenheit hat starke Auswirkungen auf Vegetation und Bodenbeschaffenheit und somit signifikante Folgen für Abfluss und Erosion bei auftretendem Starkregen.

  • Raum (globale und lokale Dimensionen): Der Klimawandel ist ein globales Phänomen, bei Überschwemmungen kann jedoch bereits eine minimale lokale Beeinflussung der Wasserausbreitung (durch Veränderung des Bodens oder geplante Eingriffe) einen Unterschied ausmachen.

  • Zeit (kurz- und langfristige Zeiträume): Dürre wirkt langfristig, Überschwemmung sehr kurzfristig; die Folgen der Dürre können nicht durch Starkregen kompensiert werden, sondern steigern sogar Risiken, beispielsweise für den Borkenkäferbefall von Forstbeständen.

  • Gelände (Mittelgebirge und Tiefland): Die Dynamik von Fließgewässern im Mittelgebirge ist häufig deutlich variabler als in der Ebene. Auf Grund der Topographie ergeben sich im Gebirge daher höhere Überflutungsrisiken für umliegende Kommunen und das weitere vorgelagerte Tiefland.

  • Landnutzung (Wald, Landwirtschaft, Stadt, Bergbau): Flächennutzung und -zustand beeinflussen die Bodeneigenschaften und damit Infiltration und Oberflächenabfluss, Abflussdynamik und die Lösung von Schadstoffen aus Böden ehemaliger Bergbauregionen.

Durch diese Vielschichtigkeit und Verflechtung der Extreme anhaltende Klimaentwicklung lassen sich die Auswirkungen des Klimawandels weder mittels einfacher Zeitreihenanalysen noch durch Reduktion auf Einzelaspekte verstehen und managen. Deshalb verfolgen wir mit EXDIMUM einen ganzheitlicher Ansatz zur Betrachtung der zuvor genannten Skalen und des Zusammenspiels der einzelnen Aspekte, um so langfristige Planung und kurzfristige Prognose zu ermöglichen, um dann in Echtzeit ein breites Spektrum an angemessenen Reaktionen auf Extremwetterereignisse bereitzustellen. In der Folge wird dies dann auch ermöglichen, die Risiken für Kommunen (Hochwasser), Vorfluter (Ausbreitung aus dem Boden gelöster Sedimente) und Forstbestand (Vitalität und Schädlingsbefall) beobachten und beeinflussen zu können. Damit gehen wir über bisher eingesetzte Datenanalyseverfahren (mit oder ohne Verfahren der Künstlichen Intelligenz) hinaus, um mittels der Verknüpfung unterschiedlicher Raum- und Zeitskalen die Vorhersage und Beherrschung der aktuell beobachteten Entwicklungen zu ermöglichen. Dies erlaubt es, ein tiefergehendes Verständnis der Charakteristika lokal auftretender Ereignisse aufgrund globaler Veränderungen zu entwickeln, um damit sinnvolle regionale Maßnahmen auf Einzugsgebietsebene treffen zu können.

Die Klimaveränderung wird besonders auch im Harz, dem höchsten Mittelgebirge Norddeutschlands, offenkundig. Lag etwa der durchschnittliche Jahresniederschlag in Braunlage im Harz in den Jahren 1990–2009 noch bei 1376 mm, fielen zwischen 2010–2019 durchschnittlich nur 983 mm. Solch langfristiger Rückgang des Wasserdargebots betrifft das gesamte Bundesgebiet; seine Folgen treten in einer naturbelassenen Landschaft wie dem Harz aber früher und deutlicher auf als bei land- und kulturwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen, in denen zeitweilige massive Eingriffe (z.B. die intensive Bewässerung mit Grundwasser) die Problematik erst später erkennbar und damit letzlich umso gravierender machen. Hinzu kommt, dass Naturlandschaften aufgrund des geringeren kurzfristigen wirtschaftlichen Interesses weniger intensiv untersucht werden, obwohl die Wirksamkeit von Maßnahmen besser zu kontrollieren wäre. Ein besseres Verständnis wird auch für eine frühzeitige, genauere Analyse des veränderten Wasserhaushaltes der angrenzenden, naturnahen Kulturlandschaften besonders wichtig – um so mehr, als im Zuge der Gesamtentwicklung die Extreme in beiden Richtungen zugenommen haben, mit teils signifikanten und stark lokalisierten Niederschlägen. Trotz der Möglichkeit, mittels der im Harz vorhandenen Talsperren mit Stauseevolumina von 360 Mio. m^3 Hochwässer zu dämpfen und somit das Umland vor daraus resultierenden Flutwellen zu schützen, kam es im Harz in jüngster Vergangenheit bereits zweimal (2014 und 2017) dazu, dass nach starken Niederschlägen die umliegenden Kommunen einer nicht beherrschbaren Flutwelle ausgesetzt waren. Die Aufnahmekapazität vorhandener Retentionsräume wurde dabei weit überschritten. Derartige Situationen stellen nicht nur die Betreiber kommunaler Entwässerungsinfrastrukturen, sondern auch Wasserverbände, Feuerwehren und das Technische Hilfswerk vor eine enorme Herausforderung.

Nordharz im Mai 2018

Nordharz im Mai 2022

Bildnachweis: PLANET Labs PBC

Aufgrund der Vielschichtigkeit und Intensität der Herausforderungen im Harz (der als Pilotregion im Projekt EXDIMUM intensiv untersucht werden wird) ist klar, dass die hierfür entwickelten umfassenden Methoden und Modelle auch für zahlreiche andere Regionen und Landschaften wichtige Fortschritte ermöglichen werden, insbesondere durch die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen und Expertisen. Der besondere Ansatz, multiple Skalen in einer Domäne gemeinsam und im Kontext zu betrachten und Methoden zu ihrer Verschränkung zu entwickeln ist zukunftsweisend und sowohl methodisch relevant, wie praktisch nützlich. Dieser methodische Beitrag wird in jedem Fall Innovationen liefern; insbesondere wird sich im Verlaufe der Arbeiten erweisen, welche Skalen und Daten für den Anwendungsbereich relevant sind und in Vorhersagen und Simulationen eingehen müssen. Das Projekt ist so angelegt, dass die verschiedenen methodischen Beiträge zwar im Gesamtmodell verknüpft werden; dies jedoch in einer modularen Weise, so dass flexible Kombinationen möglich werden und keine zu große Abhängigkeit von einzelnen Teilergebnissen entsteht, wodurch auch die Übertragbarkeit auf andere Szenarien ermöglicht wird. Die dabei entwickelten Verfahren, Methoden und Lösungsmuster können durch die umfangreiche Beteiligung der Praxispartner direkt umgesetzt werden, die ihrerseits wiederum eine breite Wirkung über ihre fachlichen Netzwerke haben. So werden sowohl durch die Struktur des Gesamtprojektes, als auch durch die Wahl der Kooperationspartner und der anzuwendenden Methoden die Erfolgsaussichten von EXDIMUM maximiert.

Bildnachweis: SCALGO